Heilig Abend

Buddhistische Gebete umgeben mich. Räucherstäbchen senden ihre Rauchschwaden in die Luft. Ein Gong bringt die Luft zum vibrieren. In der Stille des Höhlentempels ist sonst nichts zu hören, als das Gemurmel der Nonne und die von den Gläubigen wiederholten Gebete. Es ist Heiligabend. Und auch, wenn ich in Deutschland Weihnachten noch nie in der Kirche war, bin ich nun im heiligsten Teil eines buddhistischen Tempels und lausche andächtig einer Nonne.
Fast ist mir als würde ich Weihnachtslieder hören. Ja, es hört sich an wie "I wish you a Merry Christmas". Von wem ist doch diese amerikanische Weihnachtsschnulze gleich wieder?
Weiter geht das Gebet, der Gong wird irgendwo geschlagen. Mystische Stimmungen kommen auf und "I wish you a Merry Christmas"...

Moment mal, da paßt doch was nicht.
Vielleicht von vorne. Irgendwie bin ich mal wieder in einem Tempel gelandet. Fragt mich nicht wo. Irgendwo bei Lop Buri. Und irgendwie habe ich diese Nonne kennengelernt - naja, getroffen ist wohl besser, denn zum Kennenlernen müßte ich Thai oder sie Englisch sprechen.
Es hat sich ein Grüppchen aus drei Thailänderinnen und mir gebildet und dann hat uns die Nonne in einen mit dicker Kette gesicherten Höhlentempel geführt. In dieser Höhle gibt es einige Buddhastatuen und die Nonne und die Frauen haben sich auf den Knien robbend direkt davor gesetzt. Ich bleibe lieber im Hintergrund. Aber da habe ich die Rechnung ohne die Nonne gemacht. Energisch winkt sie mich heran. So robbe auch ich auf Knien zu Buddha.
Kurz beginnt das erwähnte Gebet, dann hält die Nonne inne und deutet mir, daß ich doch bitte auch die Hände falten soll. Ok, was tut man nicht alles.
Nun geht das Gebet richtig los. Die Nonne betet vor und die Frauen wiederholen die Worte.
Richtig ergreifend - würde die Nonne nur ihren Text kennen. Nun gut, sie ist ja schon ziemlich alt. So helfen denn zunächst die Frauen aus. Aber auch das hilft nicht wirklich, denn auch sie sind nicht wirklich wissend, was es zu beten gilt. Also wird ein Büchlein herausgezogen aus dem die Nonne zu lesen versucht.
Verflixt - die Schrift ist zu klein. Also wird nach längerem suchen endlich eine lupenartige Brille aufgesetzt.
Nun klappt es. Die Nonne betet vor und die Frauen wiederholen. Zum Glück erwartet das niemand von mir. Ich versuche mich auch möglichst unauffällig zu machen. Aber das fällt schwer, denn das Gebet dauert sehr lange. Und ich muß in einer für Mitteleuropäer sehr ungewohnten Stellung sitzen. Nach recht kurzer Zeit schmerzen die Füße ungemein. Und das Gebet dauert. Und dauert.
Ist nun dieses "I wish you a Merry Chrismas" nur eine Vision? Zusammengesetzt aus Gebet, Gong und Schmerzen. Sind meine Füße schon abgestorben und irgendwelche Zersetzungsprodukte benebeln meine Sinne? So muß es sein, denn "I wish you a Merry Chrismas" will einfach kein Ende nehmen.
Aber endlich - ich bin wohl mittlerweile Fußlos - endet das Gebet. Der Ohnmacht nahe sehe ich noch, wie eine der Frauen ihr Handy aus der Tasche fischt, gerade als "I wish you a Merry Christmas" von neuem beginnt.
Und schon wird munter drauf los telefoniert - mitten im Tempel! Als dann das Handy auch noch an die Nonne weitergereicht wird ist mir klar - Buddha scheint es nicht zu stören!

Wo kann man Weihnachten in solchen Gefilden am Besten verbringen? An einem völlig überfüllten Strand - nein danke! Ich beschließe, mir einen Mietwagen zu gönnen und in einen Nationalpark zu fahren. Natur, Tiere, Ruhe!
So erreiche ich abends den Khao Yai Nationalpark. Bald sehe ich schon erste Schlangen. Aber leider nicht die erhofften Pythons, sondern Autoschlangen. Direkt aus Bangkok importiert! Offensichtlich hatte nicht nur ich die tolle Idee Weihnachten im Nationalpark zu verbringen. Na, toll. Zurück? Zu spät, zu weit. Also suche ich erst einmal eine Unterkunft. Das ist natürlich ein vergebliches Unterfangen. Als letzte und einzige Möglichkeit bleibt der Campingplatz, wo ich dann zum Preis eines schönen Zimmers mit Aircon in Bangkok ein Zelt, Schlafsack etc. leihen kann. Der Aufbau ist bei dem steinharten Boden und fehlenden Spannschnüren nicht einfach, aber letztendlich steht das Zelt und ich freue mich auf die Geräusche der Nacht.
Der Urwald lebt!
Und wie! Besonders die thailändischen Familien auf dem Campingplatz. Es herrscht ein Krach wie auf dem Rummelplatz. Zwar gibt es Schilder, daß Gitarren verboten sind (also zumindest schon mal besser als in Australien), aber offensichtlich gilt dies nicht für Trommeln!
Irgendwann gegen 1:00 Uhr wird es dann wahrscheinlich zu kalt zum trommeln, denn ich merke, daß es nicht mehr Trommeln sind, die dieses Geräusch erzeugen, sondern mein zitternder Körper. Es ist saukalt! Und das mitten in den Tropen!
So zittere ich mich denn durch die Nacht und schlafe erst ein, als die Sonne aufgeht und es gleich auch etwas wärmer wird. Aber der Schlaf währt nicht lange, denn dann wird über kräftige Außenlautsprecher Musik gespielt und ein endloses Geplapper beginnt. Ob es einfach nur ein Guten Morgen, ein Lobgesang auf den König oder sonst was ist, erschließt sich mir nicht. Ist mir auch egal, an Schlaf ist nicht mehr zu denken! Also Zelt abgeben und in die Natur. Aber es wird nicht besser. Zu viele Menschen lassen einfach kein Naturgefühl aufkommen. Zwar ist mir klar, daß 100m im Wald kein Thailänder mehr sein wird, aber ich denke an die nächste Nacht und fahre lieber auf eine Weihnachtsparty.

Und eine Party ist das wirklich! Zwar nicht anläßlich von Weihnachten, wie mir eigentlich versichert wurde, sondern aufgrund der Tatsache, daß ein Zwanzigjähriger für ein Jahr Mönch wird. Es gibt freies Essen, Musik, daß einem die Ohren dröhnen und auch hübsche Tänzerinnen. Und das wenn man Mönch wird? Der Abend endet mit Karaoke. Was auch immer daran gefallen soll wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben!
Na, auch so kann man Weihnachten verbringen - so ganz ohne Kanaster!